Digitalisierte Orgel

Dietrich Wierczeyko stammt aus Heißum und hat es sich zur Aufgabe gemacht den Klang von echten Orgel zu digitalisieren. Auch die Orgel in Othfresen gehört zu seinen Projekten. Auf dieser Seite finden Sie ein Interview mit ihm.
Herr Wierczeyko, Sie haben sich vorgenommen, den Klang der Othfresener Orgel zu digitalisieren. Beschreiben Sie den LeserInnen und Lesern doch einmal, wie das technisch vor sich geht!
Die Othfresener Orgel hat ca. 840 Pfeifen und ich habe jede einzelne davon aufgenommen. Dazu habe ich die Aufnahme in zwei Schritte aufgeteilt - Orgel und Raum.
Zuerst habe ich Mikrofone, Stative, Computer, Lautsprecher und vieles mehr in die Kirche getragen, verkabelt und für die Aufnahme vorbereitet. Als alles aufgebaut war, habe ich jeden Ton und jedes Geräusch der Orgel mit den Mikrofonen aufgenommen. Dafür habe ich jede Pfeife ungefähr zwölf Sekunden lang klingen lassen und danach den Nachhall abgewartet, ehe es mit der nächsten Pfeife weiterging. Danach habe ich die Motorengeräusche der Windmaschine und die „Klappergeräusche“ der Tasten aufgenommen. Hierbei waren die Mikrofone nah an der Orgel oben auf der Empore positioniert. Schritt eins war nun fertig.
Für Schritt zwei habe ich die Mikrofone mittig vor den Altar gestellt. Aus Lautsprechern, die ich links und rechts neben der Orgel aufgebaut hatte, kam ein „Sinus-Sweep“, wodurch der Hall der Othfresener Kirche akustisch errechnet und digital gespeichert wurde.
Die Tonaufnahmen waren zwar fertig, doch die eigentliche Arbeit ging jetzt erst so richtig los: Ich befasste mich damit, die Aufnahmen möglichst frei von ungewollten Geräuschen zu bekommen. Also habe ich alles nochmal angehört und die Stör- und Motorgeräusche herausgefiltert.
Jetzt mussten sie geloopt werden (ein Loop ist eine Wiederholung innerhalb eines Tones, damit er länger als die aufgezeichneten zwölf Sekunden gespielt werden kann).
Zuletzt musste die Orgel noch eine digitale Gestalt bekommen. Hierfür habe ich Fotos von der Orgel gemacht und sie am Computer mit den Tonaufnahmen und dem Hall verknüpft."
Das klingt nach unglaublich viel Arbeit. Was erhoffen Sie sich von Ihrem Projekt?
Ich wollte schon früher immer Orgelspielen, jedoch hatte ich Unbehagen vor sowas „uncoolem“ wie Kirche und wusste auch nicht so recht, wie und wen ich dafür ansprechen sollte. Das erste Telefonat dann mit dem Pfarramt für den Orgelschlüssel war mit großer Aufregung verbunden und ich wurde sofort gefragt, ob ich auch im Gottesdienst Orgel spielen könnte. Das habe ich mir jedoch überhaupt noch nicht zugetraut und führte dazu, dass ich erstmal nicht wieder anrief. Erst viel später entdeckte ich digitale Orgeln, die ich zuhause am PC spielen konnte und habe Gefallen an den vielen Klangmöglichkeiten gefunden und auch schon bald habe ich mir meinen ersten „Einsatz“ zugetraut. Jetzt spiele ich als Organist Gottesdienste, Andachten und Hochzeiten und möchte auch anderen die Möglichkeit geben, erste unkomplizierte Erfahrungen mit solch einem tollen Instrument zu machen.
Darüber hinaus besitzen viele Kirchen große „Schätze“ an Orgeln, die jedoch leider nur einer kleinen Personengruppe bekannt – also beinahe unsichtbar – sind. Mit meinem Projekt mache ich das jeweilige Instrument öffentlich und damit auch sichtbar.
Zudem sind Orgeln sehr komplex aufgebaut und funktionieren nur durch ein gutes Zusammenspiel von sämtlichen Bauteilen. Diese Teile sollten, wie bei einer Autoinspektion, regelmäßig gewartet und gepflegt werden. Ich erhoffe mir von meinem Projekt, durch Spenden einen Teil zur Wartung, Stimmung und Pflege beitragen zu können.“
In vielen Kirchengemeinden wird diskutiert, ob man die "uncoolen" und teuren Orgeln durch Keyboards ersetzen könne. Was spricht dagegen, Ihre Tonspuren von einem Keyboard abspielen zu lassen? Der Klang wäre doch derselbe.
In meinem Gemeindepraktikum in Hanau war ich mittags mal zur „Orgelmusik am Marktplatz“. Dort wurde die Orgel um digitale Klänge erweitert, welche die Orgel lauter und vielseitiger machen. Ich war gespannt und fragte mich vor dem Konzert, ob man das nicht auch in anderen Kirchen so machen könnte. Nach dem Konzert war ich aber sehr enttäuscht und verstand überhaupt nicht, warum dieses Instrument so hochgelobt wurde. Der Klang war unglaublich verwaschen und dumpf. Das hatte einen einfachen Grund: Solche Aufnahmen (wie auch meine eigenen) haben einen eigenen Hallanteil im Klang. Werden sie jetzt auch noch in einer halligen Umgebung, z.B. in Kirchen, abgespielt, klingen sie furchtbar.
Möchte man eine gute Wiedergabe für große Räume realisieren, müsste schon bei der Tonaufnahme ganz anders herangegangen werden. Die Mikrofone müssten dann IN die Orgel in unmittelbarer Nähe zu den Pfeifen gestellt werden, da dort kaum Hall auf der Aufnahme wäre. Von dort müssten die aufgenommenen Klänge dann auch wieder abgespielt werden. Hier fängt das Problem aber schon an. Jede Pfeife hat im Instrument einen ganz eigenen Platz, die eine ganz eigene Klangverteilung im Raum bewirkt. Würde man versuchen das zu imitieren, müsste man für jede Pfeife einen eigenen Lautsprecher einbauen und an die Stelle der eigentlichen Pfeife stellen. Das wäre platztechnisch gar nicht möglich - von den riesigen Kosten dafür mal abgesehen.
Deswegen gibt es Lösungen, die mit weniger Lautsprechern auskommen, dafür aber nicht so klingen, wie eine echte Pfeifenorgel.
Für kleinere Kapellen oder Gemeindehäuser ist sowas aber in der Regel sehr gut machbar, kosteneffizient und musikalisch vielfältig. Jedoch sollte klar sein, dass das Spielgefühl an einer echten Orgel nicht mit einem digitalen Instrument zu vergleichen ist, eine echte Orgel oftmals ein kulturelles Aushängeschild für eine Gemeinde ist und, dass ohne ein echtes Instrument auch kein digitales Abbild entstehen kann.
Aus diesem Grund stellen digitale Orgeln in geeigneten Räumlichkeiten eine Möglichkeit dar, einen „orgelnahen Klang“ zu erleben - bleiben aber auch nur Annäherungen an echte Instrumente und können diese nicht ersetzen.“
Wie kann man denn jetzt auf die Ergebnisse Ihrer Arbeit zugreifen?
Auf meiner Homepage (www.binauralpipes.com) kann man mehr über mein Projekt erfahren und die Orgeln, die bisher veröffentlicht wurden, herunterladen. Im Laufe der Zeit kommen noch weitere Orgeln hinzu. Zum Spielen braucht man ein Keyboard, das mit dem Computer verbunden wird. Das kostenfreie Programm läuft auf allen gängigen Plattformen (Mac, Windows & Linux).“